![]() So lautet eines der Items eines Fragebogens aus einer kürzlich veröffentlichten Studie (Ford et al., Juli 2017, JPSP), die an der Universität Berkeley durchgeführt wurde. Traurigkeit, Scham, Schuld oder Ärger sind wichtige Bestandteile menschlichen Erlebens. Menschen unterscheiden sich jedoch durch ihren Umgang mit solchen negativen Emotionen. Manche Menschen bewerten diese Gefühle als „schlecht“; sie versuchen, solche Gefühle zu vermeiden, oder kämpfen dagegen an. Andere versuchen, die negativen Gefühle anzunehmen und sie als Bestandteil des Lebens zu integrieren. Ford und Kollegen haben in ihrer im Journal of Personality and Social Psychology veröffentlichten Studie untersucht, ob es kurzfristig und langfristig nützlich oder schädlich ist, die eigenen negativen Gefühle zu akzeptieren. Dazu haben die Forscher Daten aus drei unabhängigen Studien, welche Selbstberichtsdaten, Emotionen nach einer Bewerbungssituation sowie Tagebuchdaten umfassen, ausgewertet. Bestimmte Einflussfaktoren wie Alter, Geschlecht, sozioökonomischen Status und andere demographische Variablen wurden kontrolliert. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Menschen, die ihren negativen Gefühlen mit einer akzeptierenden Haltung begegnen, kurzfristig weniger negative Gefühle erleben. Die Daten zeigen auch, dass die Akzeptanz negativer Gefühle bei einem Follow-Up nach sechs Monaten (Nachbefragung) mit einem höheren Wohlbefinden und einer höheren psychischen Gesundheit einhergeht. Die Ergebnisse der Studie sind deshalb interessant, weil es lange Wissenschaftsdebatten um die „richtige“ Strategie zur Gefühlsregulation gibt (z.B. siehe Vielzahl an Studien zu Neubewertung/Reappraisal, Unterdrückung/Suppression von Gross und John). Wie kann man diesen positiven Effekt von Akzeptanz erklären? Seine negativen Emotionen zu akzeptieren kann bedeuten, dass man ihnen weniger starke Bedeutung beimisst, und dass eine Art "Gefühlsdiffusion" stattfindet. Wenn man hingegen überdauernd die eigenen Gefühle nicht akzeptiert, kann dies zu Stress führen. Beispiel: Man mag vermuten, dass eine Art Kontrollprozess aktiv ist, der immer wieder überprüft, ob das Gefühl (und dessen Auslöser) noch vorhanden ist. Streitet man beispielsweise mit dem Partner über das Runterbringen des Mülls, dann kann Akzeptanz von Ärger dazu führen, dass man weniger stark auf das Gefühl “Ärger” und damit auch auf das Müllproblem achtet. Erneute Verstöße beim Kasus Denk-an-den-Müll-Du-wohnst-hier-nicht-alleine werden dann seltener beachtet. Positive Erlebnisse erhalten in der Partnerschaft dann mehr Spielraum. Wird hingegen auf den Ärger fokussiert, dann wird auch Fehlverhalten eher bemerkt und Streit provoziert. Fazit: Wie wir negativen emotionalen Reaktionen begegnen, scheint einen Einfluss darauf zu haben, wie es uns geht. Ist es aber nun wirklich hilfreicher, die eigenen Gefühle zu akzeptieren oder zu verändern? Die Antwort ist wahrscheinlich nicht so einfach, wie es der Artikel suggerieren mag. Und sie liegt wohl im Detail - ist also abhängig von verschiedenen Faktoren (Auslöser, Situation, Beteiligte, usw.) Aber: Im Zweifelsfall kann Akzeptanz, die Veränderung bewirken kann, nicht schaden. Die Studie kann man unter folgendem Link einsehen: https://eerlab.berkeley.edu/pdf/papers/Ford_etal_inpress_Acceptance.pdf
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Wer andern gar zu wenig traut, hat Angst an allen Ecken; wer gar zu viel auf andre baut, erwacht mit Schrecken. (Wilhelm Busch) Die Frage, wie eine Beziehung (Partnerschaft oder Freundschaft) gelingen kann, ist in Zeiten des digitalen Netzwerkens und wachsender Mobilität zentral geworden. In meiner Arbeit als Psychotherapeutin bemerke ich immer wieder, dass viele Menschen (ver)unsicher(t) sind, wie sie gute Freundschaften und Partnerschaften aufbauen können. Neben der Sympathie nimmt für mich der Beziehungsklebstoff Vertrauen in den Anderen eine wichtige Schlüsselrolle ein, ohne den Partnerschaften und Freundschaften selten überdauernd und zufriedenstellend sind. Auf der Suche nach einer guten Definition von Vertrauen bin ich auf die amerikanische Forscherin und „Geschichtenerzählerin“ Brené Brown gestoßen. Vertrauen ist laut Brené Brown wie ein Glas voller Murmeln. Es sind nicht die großen Taten, die Vertrauen prägen, sondern die kleinen Alltäglichkeiten, die Vertrauen langsam wachsen lassen und Beziehungen stärken. Vertrauen ist laut Brené Brown durch sieben Kernmerkmale geprägt, die aufsummiert Vertrauen schaffen. Sie fasst diese sieben Kernmerkmale in der Wortneuschöpfung "braving" (brave = "mutig") zusammen:
Vertrauen wird in alltäglichen Schiebetürmomenten („Sliding-Door-Moments“) geprägt, in denen zwei Menschen durch das, was sie sagen oder tun, um Einfühlung und Unterstützung bitten. Entscheidet man sich, die Tür offen zu halten und darauf zu reagieren, wird eine Murmel im Glas des Vertrauens zugefügt. Entscheidet man sich, die Tür zu schließen und nicht darauf zu reagieren, wird eine Murmel aus dem Glas entwendet.*** Fazit: Wer sich die Frage stellt, wie eine gute Beziehung gelebt werden kann, kommt um die Vertrauensfragen nicht herum. Wer mehr erfahren mag, kann den englischen Ted Talk von Brené Brown anschauen. Empfehlenswert sind auch das Buch "Verletzlichkeit macht stark" (englischer Titel: Daring Greatly) und Einträge auf der Webseite der Autorin: http://brenebrown.com/. Anmerkungen:
*Heikel dabei ist, wenn der andere die Geheimnisse eines Dritten teilt. Tratsch und Klatsch kann eine doppeldeutige Vertrauensmurmel sein. Es schafft Vertrauen, weil das Geheimnis mit Verschwiegenheit behandelt werden soll und es nimmt Vertrauen, weil die eigenen Geheimnisse weniger sicher erscheinen. **René Brown gibt ein Beispiel: Wenn ein Freund Dich vergessen hat, anzurufen, dann ist eine großzügige Antwort beispielsweise „Du hast vergessen, mich anzurufen, darüber war ich traurig, aber ich weiß, dass Du Dich sonst im mich bemühst.“ Wenig Großzügig wäre es nicht oder abwertend darauf zu reagieren. Großzügig sein heißt auch, den anderen liebevoll zu begrenzen und die Anfrage zu beantworten, wenn es Gründe für den ausbleibenden Anruf gibt. ***Vertrauen mit anderen Personen kann man leichter aufbauen, wenn man sich dafür entscheidet, sich selbst zu vertrauen: Kann ich mir selbst Grenzen setzen? Bin ich verlässlich für mich selbst? Übernehme ich Verantwortung für meine eigenen Gefühle, Gedanken und Verhaltensweisen? Bin ich integer und gehe ich mit mir mitfühlend sowie großzügig um? Eine kürzlich publizierte Studie von Jokela und Kollegen (2017) zeigt, dass ein Anstieg an Persönlichkeitseigenschaften zu verzeichnen ist, denen ökonomischer Erfolg zugeschrieben wird. Dazu zählen Eigenschaften wie Selbstsicherheit, Führungsmotivation, Leistungsstreben und Geselligkeit. Die Forscher haben dazu die Daten von über 400.000 männlichen Wehrpflichtigen ausgewertet, die zwischen 1962 und 1976 geboren wurden (Alter zu Studienteilnahme 18-19 Jahre). In einem zweiten Teil der Studie zeigen die Autoren, dass genannte Persönlichkeitsmerkmale mit einem höheren Einkommen assoziiert sind.
Die Autoren zeigen damit, dass der sogenannte "Flynn Effekt", der einen stetigen Anstieg von circa 3 IQ-Punkten ca. aller 10 Jahre hinweg beschreibt, auch für Persönlichkeitseigenschaften zutrifft. Interessant ist die Studie deshalb, weil sie Persönlichkeitsveränderung (z.B. Zunahme an Selbstsicherheit) mit ökonomischen Vorteilen verbindet. Einschränkend kann jedoch gesagt, werden, dass nicht berücksichtigt wurde, inwieweit "ökonomisch wertvolle" Eigenschaften auch mit Erfolg in anderen Bereichen einhergehen, z.B. mit Erfolg in zwischenmenschlichen Beziehungen. Wer mehr über die Schattenseiten einer selbstsicheren Haltung erfahren möchte, dem möchte ich "Generation Me" von J. Twenge und K. Campbell empfehlen. Die Studie kann unter folgendem Link kostenlos eingesehen werden: http://www.pnas.org/content/114/25/6527 Illustration: © Clotilde Drivet (http://twistedheart.tumblr.com/) In einem 3Sat Beitrag aus dem April 2017 berichtet Tania Singer über ihr am Max-Planck-Institut verortetes ReSource Projekt, in dem erforscht wird, ob sich Empathiefähigkeit trainieren lässt:
http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=63687www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=63687 Konflikte gibt es in jeder guten Beziehung, doch wie man die Konflikte gemeinsam löst, hat einen einen starken Einfluß auf die Beziehungszufriedenheit beider PartnerInnen. Wissenschaftler um McNulty stellten fest, dass es langfristig positiv sein kann, dem eigenen Ärger im Paargespräch Luft zu machen. Durch den Ausdruck von Ärger wird die Bedeutung des Konfliktthemas deutlich gemacht: Der Partner spürt, dass es sich um einen wichtigen Aspekt handelt, der zur Verhaltensänderung motiviert. McNulty meint, dass Ärger einen beziehungsförderlichen Aspekt hat, denn wer sich über den Anderen ärgert, dem ist die Beziehung wichtig. Und schließlich kann es auch heilsam und entlastend sein, die angestaute Wut rauszulassen.
Die Befunde von McNulty sind interessant, weil die psychologische Selbsthilfeliteratur häufig vorwiegend auf die positive Wirkung von Ich-Botschaften verweist und den Ausdruck von Wut und Ärger eher kritisch diskutiert. Die in Selbsthilfebüchern vermittelten Ich-Botschaften sind in vielen Situationen hilfreich bei der Konfliktlösung, da sie Schuldzuweisungen vorbeugen. Aber immer dann, wenn es sich um einen wichtigen Sachverhalt dreht, der verändert werden kann, ist der Ausdruck von Wut und Ärger zwar nicht kurzfristig, aber langfristig günstiger. Psychologische Erste Hilfe: "Ich ärgere mich über meine/n PartnerIn schwarz! Was kann ich tun?" Stellen Sie sich drei Fragen, wenn Sie auf Ihren Partner/Ihre Partnerin wütend sind: Frage 1. Ist meine Wut angemessen? (oder auch: Würden andere Personen genauso reagieren?) -- Falls ja, dann weiter bin Frage 2. Frage 2. Ist meine Wut zu intensiv? (oder auch: Bin ich kurz davor, mit Dingen um mich zu werfen?) -- Falls nein, dann weiter mit Frage 3. Frage 3: Ist es langfristig hilfreich, wenn ich dem Handlungsimpuls meiner Wut (d.h. meinem Partner sagen, dass ich wütend bin) folge? -- Falls ja, dann: Handeln! (dem Ärger verbal Luft machen) McNulty, J. K., & Russell, V. M. (2010). When “negative” behaviors are positive: A contextual analysis of the long-term effects of problem-solving behaviors on changes in relationship satisfaction. Journal of Personality and Social Psychology, 98, 587-604. McNulty, J. K. (2011). The dark side of forgiveness: The tendency to forgive predicts continued psychological and physical aggression in marriage. Personality and Social Psychology Bulletin, 37, 770-783. Illustration: © Clotilde Drivet (http://twistedheart.tumblr.com/) Der Zugang zur Psychotherapie ist in Deutschland erschwert: Mehrere Monate müssen PatientInnen derzeit auf einen Psychotherapieplatz warten. Aus einem aktuellen Urteil des Bundesgerichtshofs geht daher hervor, dass die KVen sich einen Überblick über das aktuelle Angebot in der Psychotherapie verschaffen müssen.
Weitere Informationen unter http://www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/recht/article/939403/bsg-urteil-bedarf-konkret-ermitteln.html?sh=27&h=1858958603 Am 1. April 2017 trat die geänderte Psychotherapie-Richtlinie in Kraft. Ein Kernpunkt ist dabei die Einführung von psychotherapeutischen Sprechstunden, der Akutsprechstunde und der telefonischen Sprechzeiten für niedergelassene PsychotherapeutInnen. Die Neuerungen sollten einen direkten und schnelleren ersten Kontakt zur Psychotherapie ermöglichen.
Einige Krankenkassen lehnen nun seit dem 1. April 2017 häufiger Anträge ihrer Versicherten auf Kostenerstattung mit der Begründung ab, dass durch die neue psychotherapeutische Sprechstunde und Akutbehandlung jeder psychisch kranke Versicherte kurzfristig behandelt werden könne. Versicherte beklagen allerdings, dass die Terminservicestellen der KV trotz der Neuerungen keine freien Plätze für Psychotherapie benennen können. Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) stellte daher in einer Pressemitteilung klar, dass jeder Versicherte weiterhin einen Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Absatz 3 SGB hat, wenn es keine Behandlungsmöglichkeit bei einem zugelassenen Psychotherapeuten gibt. Die Pressemitteilung der BPtK zur Kostenerstattung ist hier einsehbar: http://www.bptk.de/aktuell/einzelseite/artikel/behandlung-i.html Einen Ratgeber zur Kostenerstattung finden Sie hier: http://www.bptk.de/uploads/media/BPtK_Ratgeber_Kostenerstattung_2.pdf Ein aktueller Beitrag zur Kostenerstattung auf detektor.fm: https://detektor.fm/gesellschaft/psychotherapie-blockieren-krankenkassen-die-kostenerstattung Ob Donald Trump die Kriterien einer Narzisstischen Persönlichkeitsstörung leidet, wie derzeit vielfach in den Medien spekuliert wird, wissen wir nicht. Stefan Röpke, der an der Berliner Charité den Bereich Persönlichkeitsstörung leitet, erklärt dies in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ genauer: „Wir Psychiater diagnostizieren eine Persönlichkeitsstörung erst dann, wenn der Betroffene auch selber leidet. Wir wissen nicht, ob der US-Präsident leidet.“
Wer den Beitrag nachlesen möchte, kann das unter folgendem Link tun: Für Abonnenten der SZ: http://www.sueddeutsche.de/politik/donald-trumps-charakter-wir-wissen-nicht-ob-der-us-praesident-leidet-1.3383934?reduced=true Eine Referenz in der FAZ (kostenfrei): http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/stefan-roepke-spricht-ueber-psyche-von-donald-trump-14885887.html Eine dreiteilige Doku-Reihe "Mensch bin ich toll" auf ARD-alpha geht dem Phänomen Narzissmus aus unterschiedlichen Perspektiven nach. In einen der drei Teilen, "Narzissmus als Störung" werden Studienergebnisse aus unserer Arbeitsgruppe vorgestellt.
Unter folgendem Link kann der Beitrag unter Betetiligung von Dr. Stefan Röpke und mir angesehen werden: http://www.ardmediathek.de/tv/Mensch-bin-ich-toll/Narzissmus-als-St%C3%B6rung/ARD-alpha/Video?bcastId=34152204&documentId=35025638 |
Dr. Aline Vater
Neuigkeiten, Artikel und Buchvorstellungen. Archiv
August 2021
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